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Möglicher Testamentswiderruf durch Zerreißen eines von zwei Originalen?

Nach § 2255 BGB kann ein Testament auch dadurch widerrufen werden, wenn der spätere Erblasser die Testamentsurkunde – in der Absicht dieses aufzuheben – vernichtet.

Aber was passiert nun, wenn mehrere Urkunden vorhanden sind und nur eine zerstört wird vom Erblasser? Reicht es für einen Testamentswiderruf, wenn nur eines von zwei vorhandenen Originalen vernichtet wird? Mit dieser Frage hatte sich das OLG Köln nunmehr zu beschäftigen.

Nach einem Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 22.04.2020 tut es das, wenn der Aufhebungswille des Erblassers eindeutig feststeht. Dies lag im vorliegenden Fall vor: Die Erblasserin hatte ihre Haushälterin zur Alleinerbin bestimmt, dies aber nach einem Vertrauensmissbrauch bereut und eines der Originale des Testaments zerrissen.

Zunächst war der Urenkel als Erbe von der Erblasserin eingesetzt. Später verfasste sie ein handschriftliches Testament, mit dem anstelle des Urenkels ihre Haushälterin zur Alleinerbin bestimmt wurde. Nachdem die Haushälterin jedoch 50.000 Euro abredewidrig vom Konto der späteren Erblasserin abgehoben hatte, zerriss die spätere Erblasserin das Testament, welches die Haushälterin bedachte.

Das Nachlassgericht musste nach dem Tod der Frau klären, ob nunmehr dem Urenkel ein Erbschein erteilt werden kann. Dem Gericht lag ein weiteres Original des Testaments zu Gunsten der Haushälterin vor. Der Urenkel konnte jedoch überzeugend nachweisen, dass die Erblasserin das Testament widerrufen hatte. Es habe ein zweites Original des Testaments gegeben. Dieses habe die Erblasserin ihrem Rechtsanwalt gezeigt und es vor seinen Augen zerrissen. Aus diesem Grund gelte wieder die frühere Erbeinsetzung zu Gunsten des Urenkels. Das Nachlassgericht kam zu dem Ergebnis, dass der Urenkel Alleinerbe geworden ist und hat ihm einen Erbschein erteilt. Dagegen legte die Haushälterin Beschwerde ein.

Das OLG entschied auch gegen die Haushälterin. Ein Erblasser könne ein Testament jederzeit ohne besonderen Grund widerrufen (§ 2253 BGB); zum Beispiel durch Vernichtung der Testamentsurkunde (§ 2255 S. 1 BGB). Sofern jedoch mehrere Urschriften vorhanden seien, könne die Vernichtung lediglich einer Urkunde genügen, soweit keine Zweifel über den Aufhebungswillen des Erblassers bestünden. Dies wurde im vorliegenden Fall bejaht.

Angesichts ihres Alters von über 90 Jahren hat das OLG angenommen, dass die spätere Erblasserin das zweite Original schlicht vergessen habe. Trotz der Existenz dieses weiteren Originals sei daher vom Widerruf des die Haushälterin begünstigenden Testaments auszugehen.

Für die Kanzlei HARDERSNEITZEL: Dr. Cai Niklaas Harders, Rechtsanwalt und Notar.

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