Schon die Androhung der Enterbung ist ein beliebtes (und meist auch effektives) Mittel zum Überzeugen bei Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Familie. Das gleiche gilt bei Zerwürfnissen, Entfremdung, tiefen Gräben oder schlicht und einfach der Funkstille.
Doch Vorsicht: Nach deutschem Recht heißt die Enterbung z.B. eines ungeliebten Kindes nicht automatisch, dass dieses Kind beim Nachlass leer ausgeht. Ein Pflichtteil steht diesem Kind immer zu. Das finden Sie paradox? Zur Erklärung: Soweit ein Erblasser seinen Sohn per Testament enterben will, kann er dies problemlos und jederzeit so festschreiben. Die gesetzliche Erbfolge, nämlich dass dieser Sohn die Stellung eines Erben zu festen gesetzlichen Anteilen einnimmt, wird damit aufgehoben. Das verhindert jedoch nicht, dass der Sohn Geld aus dem Nachlass bekommen wird; wenn auch nur beschränkt auf ein Minimum vom Erbe. Dieses Minimum, der sog. Pflichtteil, beträgt immer die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und ist in Geld auszuzahlen.
Nehmen wir folgendes Beispiel: Ist der verstorbene Witwer Vater zweier Kinder gewesen; dann liegt der gesetzliche Erbteil dieser Kinder bei jeweils 50 Prozent am Nachlass. Soweit das eine Kind im Testament des Erblassers als Alleinerbe eingesetzt und das weitere Kind folglich „enterbt“ wurde, darf dieses Kind trotzdem den Pflichtteil von 25 Prozent des Gesamtvermögens (abzüglich der Kosten für die Abwicklung der Bestattung) verlangen. Bei einem Vermögen von 400 000 Euro hätte das enterbte – aber pflichtteilsberechtigte – Kind also Anspruch auf die Auszahlung von immerhin 100.000 Euro – obwohl dies wohl nicht im Sinne des Vaters war. Vorteil ist, dass nur dieser Anspruch auf Geld besteht und kein Anspruch auf die ggf. vorhandene Sportwagensammlung oder den Familienschmuck.
Bei der Vererbung von Sachwerten (z.B. Immobilien) und gleichzeitiger Enterbung eines gesetzlichen Erben, sollten immer auch gleich die wirtschaftlichen Folgen für die eingesetzten Erben bedacht werden. Der Pflichtteilsanspruch kann zu einer großen Last werden, da der Betrag in Geld fließen muss. Soweit keine Barmittel (sondern nur Sachwerte) im Nachlass vorhanden sein; muss über einen Verkauf der Sachwerte (wie z.B. das Wohnhaus) für die Auszahlung des enterbten Pflichtteilsberechtigen nachgedacht werden.
Tröstlich für den Erblasser ist, dass der Enterbte selbst aktiv werden muss, damit sein Pflichtteilsanspruch nicht verjährt. Diese Verjährungsfrist läuft ab Kenntnis der Enterbung drei Jahre lang. Der Pflichtteilsanspruch der Kinder gilt auch dann, wenn sich die Ehepartner gegenseitig als Erben einsetzen und die Kinder erst nach dem Tod beider erben sollen. Auch hier gilt, dass die Kinder schon beim ersten Todesfall Anspruch auf ein Pflichtteil haben. Um dies zu verhindern, müssten die Kinder freiwillig verzichten.
Neben der Enterbung auch den Pflichtteil zu entziehen, ist nach deutschem Recht nur in wenigen Ausnahmefällen möglich (z.B. wenn der Ausgeschlossene vorsätzlich den Erblasser töten wollte; andere schlimme Verbrechen begangen hat; rechtskräftig zu einer Haftstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung verurteilt wurde oder seine gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber Vater und Mutter böswillig verletzt hat). Ansonsten muss taktiert werden, um den Pflichtteil zu umschiffen oder wenigstens gering zu halten. Instrumentarien wie z.B. eine sogenannte Pflichtteilsstrafklausel im Testament aufzunehmen oder aber den Pflichtteil durch eine Schenkung noch zu Lebzeiten stark zu minimieren, sollten mit einem Notar oder Rechtsanwalt erörtert werden. Bei Rückfragen wenden Sie sich gerne an uns.