BGH: unzureichende Widerrufsbelehrung wird nicht durch Präsenzgeschäft geheilt
Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 21.02.2017 – XI ZR 381/16) muss ein Verbraucher zwingend in Textform über sein Recht zum Widerruf belehrt werden. Dies gilt auch, wenn der Darlehensvertrag als Präsenzgeschäft abgeschlossen wurde. Eine undeutliche Widerrufsbelehrung kann nicht anhand eines konkludenten gemeinsamen (richtigen) Verständnisses der Vertragsparteien korrigiert werden.
Tatbestand
Die Kläger verlangten nach erfolgten Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrags zur Immobilienfinanzierung die Erstattung der von ihnen gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung. Der Vertragsabschluss erfolgte in der Form, dass ein Mitarbeiter der Bank und die Kläger – alle drei zeitgleich an einem Ort anwesend – die den Klägern erstmals vorgelegten schriftlichen Vertragsunterlagen unterzeichneten.
Die Widerrufsbelehrung lautete u.a.:
„Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag[,] nachdem Ihnen
– eine Ausfertigung dieser Widerrufsbelehrung und
– die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrags zur Verfügung gestellt wurden“.
Die Kläger wollten die finanzierte Immobilie vorzeitig verkaufen. Die Bank machte den Abschluss einer „Aufhebungsvereinbarung“ von der Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 4.569,82 Euro abhängig. Die Kläger stimmten zu „unter dem Vorbehalt einer Überprüfung des geschlossenen Darlehensvertrages einschließlich der Widerrufsbelehrung“ und entrichteten die von der Bank beanspruchte Vorfälligkeitsentschädigung. Später widerriefen sie ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung.
Vorinstanzen
Das Amts und Landgericht hatte die Klage auf Erstattung der Vorfälligkeitsentschädigung in Berufung nicht stattgegeben.
BGH
Der BGH hob das Berufungsurteil auf und hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Die Widerrufsbelehrung sei als vorformulierte Erklärung gemäß den im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltenden Grundsätzen objektiv auszulegen und danach unzureichend deutlich formuliert, da sie entgegen der für die Vertragsbeziehungen der Parteien maßgebenden Rechtslage so verstanden werden könne, die Widerrufsfrist laufe unabhängig von der Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers an. Unbeachtlich sei, dass die Parteien die als Präsenzgeschäft erteilte Belehrung stillschweigend richtig dahin verstanden haben, dass das Anlaufen der Frist die Abgabe ihrer Vertragserklärung voraussetze.
Der Verbraucher sei hier zu seinen Gunsten zwingend in Textform zu belehren gewesen, sodass die Widerrufsbelehrung nicht anhand eines konkludenten gemeinsamen Verständnisses der Vertragsparteien korrigiert werden könne. Auf die Kausalität des Belehrungsfehlers komme es nicht an.
Dr. Cai Niklaas Harders
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
